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Persönlichkeiten der Gemeinde

 

OTTO PERL - Für uns heute noch von Bedeutung?

Otto Perl wOtto Perlurde am 19.10.1882 in unserem Dorf Wildenhain geboren. Sein Geburtshaus steht noch heute

in der Battauner Straße 4 (früher "Kleine Battauner Straße"). Heute lebt hier Familie Schün.

 

Sein Vater, Gottlob Perl und seine Mutter, Rosine, geb. Münch, brachten zehn Kinder zur Welt, von denen sechs starben.

 

Otto Perl war 12 Jahre lang ein gesunder Junge. Im Sommer 1895 rannte er einer Hochzeitskutsche von der Dorfkirche bis in den Ortsteil Winkelmühle nach. Überhitzt von dem ca. 6 km langen Weg, sprang er in den dortigen Mühlenteich. Die plötzliche Abkühlung führte zu einer chronischen Gelenkentzündung, deren Folgen (Versteifungen der Gelenke) ihn zum Schwerstbehinderten machten. Er war somit sein Leben lang auf personelle und technische Hilfe angewiesen.

 

Der Vater verkaufte die wenigen "Morgen" Land nebst Landwirtschaft, um die Pflege und die späteren Heimzuschüsse zu finanzieren. Seine Mutter übernahm zusätzlich zu ihren allgemeinen Pflichten seine Pflege bis zu ihrem Tod. Sie starb schon im Alter von 46 Jahren an einem Herzleiden.

 

Nach dem Tode der Mutter wurde Otto Perl zunächst in das städtische Siechenhaus in Halle eingewiesen. Die Jahre 1901 bis 1908 verbrachte er im Kaiser-Friedrich-Siechenhaus in Wittenberg, wo Arme und Hilfsbedürftige abseits der Gesellschaft konzentriert und nur mit dem allernotwendigsten versorgt wurden. Anregungen, Beschäftigungen oder gar Förderung von Fähigkeiten zählten nicht zu den Maßnahmen der Armenfürsorge.

 

Glücklich durfte er sich schätzen, als er später in ein konfessionelles Heim in Mitteldeutschland übersiedeln durfte. Hier war er unter Jugendlichen untergebracht und aus eigener Kraft gelang es Otto Perl sich weiterzubilden. Sein Wissen gab er an Kinder und Jugendliche innerhalb der Anstalten weiter. Bereits 1906 lernte er anlässlich eines Vortrages seinen späteren Förderer und Freund, den Gymnasialdirektor Dr. Hermann Rassow kennen, der ihn ideell und materiell unterstützte.

 

Seit 1908 lebte Otto Perl im "Oberlinhaus" in Nowawes (heute Potsdam-Babelsberg), einer ebenfalls von der Inneren Mission 1894 gegründeten Anstalt für "Krüppelkinder".


Er eignete sich selbständig Latein und Griechisch an und legte mit Hilfe von Dr. Herrmann Rassow im Jahre 1918 als 37-jähriger mit Zustimmung des Provinzialschulkollegiums als Externer sein Examen zur Erlangung des Abiturs ab. Daraufhin konnte er 1922 ein Studium an der philosophischen Fakultät der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität beginnen und unter schwierigen Bedingungen (angelehnt an den Pfeilern bei Vorlesungen) vier Semester Philosophie und Volkswirtschaft studieren. Während der Zeit seines Studiums lebte Otto Perl in einem Altersheim in Berlin-Lichterfelde. Das Studium musste er leider durch Inflation und fehlender Unterstützung wieder abbrechen.

 

Einige Kuren ermöglichten später Otto PERL sich mit Hilfe von zwei Krücken und personeller Hilfe etwas vorwärts zu bewegen.

 

Am 26.01.1926 zog Otto Perl erneut in das Wichernhaus in Altdorf bei Nürnberg, seine wohl glücklichste Zeit. Dort bewohnte der 44jährige zum ersten Mal ein eigenes Zimmer und traf auf eine verständnisvolle Umgebung. Hier konnte er seine Privatstudien ungestört fortsetzen.

 

Er widmete sich auch dem Aufbau des bayrischen Landesverbandes des Selbsthilfebundes der Körperbehinderten und hielt Vorträge über fürsorgerische Probleme. Im Oktober 1928 wurde er zum 1. Vorsitzenden der Landesgruppe Bayern bestimmt.

 

Wahrscheinlich gegen seinen Willen wurde Otto PERL am 1. August 1934 auf Veranlassung des Landeshauptmannes der Provinz Sachsen in das Pflegeheim Bethanien der Pfeifferschen Stiftungen in Magdeburg-Cracau verlegt.

 

Über sein Leben von August 1934 bis hin zur Zerstörung der Anstalt durch Luftangriffe Ende 1943 ist nichts bekannt.

 

Im Januar 1944 zog Otto PERL zu seinem Bruder nach Zschorna bei Wurzen, wo er aber auf Grund der schweren Nachkriegsverhälnisse 1946 seine Wiederaufnahme in den Pfeifferschen Stiftungen in Magdeburg beantragte. Durch die starken Zerstörungen der Anstalt bekam er jedoch keinen Platz und wurde schließlich wieder im Kaiser-Friedrich-Siechenhaus in Wittenberg aufgenommen.

 

Bis zu seinem Tod am 27.10.1951 besuchte er nun häufiger seinen Geburtsort und pflegte freundschaftlichen Kontakt mit den jetzigen Eigentümern seines Geburtshauses. Während dieser Zeit war er meist im Vereinsraum der Gaststätte untergebracht. Problematisch war auch die Reise mit der Bahn nach Wildenhain, da die Züge für Behinderte nicht ausgelegt waren.

 

Seine Urne wurde auf dem Friedhof in Wildenhain, im Grab seiner Mutter, beigesetzt.Geburtstag Otto Perl


Am 19.10.1982 fand in Wildenhain eine Gedenkfeier anlässlich des 100. Geburtstages von Otto Perl statt. 


Organisator und Gedenkredner an diesem Tag war Helmut Bartsch, damaliger Pfarrer der Kirchengemeinde Wildenhain. Zu seiner Zeit fanden danach noch einige wenige ökumenische Behindertentreffen im zweijährigen Abstand statt. Ihm ist es auch zu verdanken, dass mit finanzieller Unterstützung des damaligen Rat des Kreises Eilenburg ein Gedenkstein errichtet wurde und auf dem folgende Inschrift aufgebracht wurde: "Otto Perl gründete im Jahr 1919 den Selbsthilfebund der Körperbehinderten (Otto-Perl-Bund) e.V., später umbenannt in Reichsbund der Körperbehinderten Deutschland". Das Grab wird heute von Robert Schübel gepflegt.

 

Der Bund wurde am 10.03.1919 in Berlin-Zehlendorf unter dem Namen "Bund zur Förderung der Selbsthilfe der körperlich Behinderten (Perlbund)" von Hans Förster, Otto Perl und Dr. Hermann Rassow gegründet.Grab_Inschrift_gro 1924 wurde der Name in den Selbsthilfebund der Körperbehinderten (Otto-Perl-Bund) umbenannt.


Petra Fuchs (2001) bezeichnet den Perl-Bund (1919 - 1931) als ersten emanzipatorischen Versuch einer Selbsthilfebewegung inGrabstein Otto Perl der Weimarer Republik.


Otto Perl kämpfte am Beginn des 20. Jahrhunderts zusammen mit Friedrich Malikowski, Hans Förster, Irma Dresdner, Maria Gruhl und anderen Mitglieder des Selbsthilfebundes Körperbehinderter (Perl-Bund), an der Verbesserung der Lebensbedingungen für Menschen mit Körperbehinderung, vor allem jedoch für "geistig normale" Körperbehinderte, für die er das Recht der Selbstbestimmung einforderte.

 

Was zeichnet den Menschen Otto Perl heute für uns aus. H.-Günter Heiden, Dr. rer. pol. Gerhard Simon und Prof. Dr. Udo Wilken schreiben in ihrem Buch "Otto Perl und die Entwicklung von Selbstbestimmung und Selbstkontrolle in der Körperbehinderten-Selbsthilfe-Bewegung", dass eine Antwort wahrscheinlich nur sein Lebenslauf und seine daraus resultierende persönliche Entwicklung sowie sein Charakterbild geben kann. Sein Lebenslauf war geprägt von Fleiß, Ehrgeiz, Willenskraft und Lernen, um von der Dorfschule zum Abitur und späterem Studium zu gelangen.

 

Viel hat er in seinem Leben für die Anerkennung körperbehinderter Menschen getan und dies sollte nicht in Vergessenheit geraten.

 

Auch heute noch können seine positiven Charakterzüge nicht nur für körperhinderte Menschen als Vorbild dienen, denn sie zeigen, dass "der Wille Berge versetzen kann".

 

Seinen Namen findet man z.B. noch im "Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter" e.V. in Krautheim und der "Stiftung Sächsische Behindertenhilfe - Otto Perl".


Zusammengefasst von:

Robert Schübel
2011


Auswahl veröffentlichter und unveröffentlichter Schriften und Vorträge von Otto Perl

  • Bilder aus dem Kaiser-Friedrich-Siechenhaus zu Wittenberg. Wittenberg o.J. (1908), Selbstverlag, 32 S.
  • Krüppeltum und Gesellschaft im Wandel der Zeit. Gotha 1926. 52 S. Mit Vorwort von Dr. H. Rassow, VI S.
  • Die Krüppelarbeitsgemeinschaft. In: Nachrichtendienst des Bundes zur Förderung der Selbsthilfe der körperlich Behinderten (Perl-Bind), 2. Jg. 1921, Nr. 5, S. 6 f.
  • Fürsorge und Selbsthilfe. In: Nachrichtendienst des Bundes zur Förderung der Selbsthilfe der körperlich Behinderten (Perl-Bund), 2. Jg. 1921, Nr. 7, S. 2 ff.
  • Zur Wohnheimfrage. In: Nachrichtendienst des Bundes zur Förderung der Selbsthilfe der körperlich Behinderten (Perl-Bund), 3. Jg. 1922, Nr. 11, S. 2f.
  • Die Versorgung des pflegebedürftigen Krüppels. In: Nachrichtendienst des Bundes zur Förderung der Selbsthilfe der körperlich Behinderten (Perl-Bund), 3. Jg. 1922, Nr. 13, S 1 ff.
  • Gebrechliche Jugend - Bewegte Jugend. (Zum 6. Bundestag). In: Nachrichtendienst des Bundes zur Förderung der Selbsthilfe der körperlich Behinderten (Perl-Bund), 6. Jg. 1925, Nr. 5, S. 39 f
  • Aussprache zum Thema von Pastor Vietor: Fürsorge für sieche Krüppel. Stenografischer Bericht über den 9. deutschen Kongress für Krüppelfürsorge am 27. und 28. Mai 1926 in Nürnberg. In: Zeitschrift für Krüppelfürsorge, Bd. 19, 1926, Ergänzungsheft, S 98 f.
  • Der Ehrenvorsitzende des Selbsthilfebundes 70 Jahre alt! In: Nachrichtendienst des Selbsthilfebundes der Körperbehinderten 9. Jg. 1928
  • Verband der deutschen Krüppelheime der Inneren Mission, Volmarstein b. Hagen/Westf. (Hrsg.), Diskussionsbeitrag auf der Vierzehnten Konferenz des Verbandes der deutschen Krüppelheime der Inneren Mission vom 27. - 29. Mai 1931 in der Krüppelanstalt "Wichernhaus" Altdorf bei Nürnberg, S. 94
  • Bayern: Aus der Arbeit für die Arbeit. In: Der Körperhinderte, 2. Jg. 1932, Nr. 3, S. 20 f.
  • Kunst und das Volk. In Ethik. 11. Jg. 1935, S. 70 f.
  • Ausgewählte Krüppelfürsorge. In: Ethik., 12. Jg. 1936, S. 247 ff.
  • Was Körperbehinderte wollen! Anlage III zum Schreiben an den Landrat des Kreises Torgau, Dezernat für Sozialfürsorge v. 2. 4. 1946. Auszüge in: Leben und Weg, 25. Jg. 1984, Nr. 4, S. 35 f.
  • Otto Perl: "Marie Gruhl." In: Der Krüppel. Mitteilungsblatt der "Ersten österreichischen Krüppelarbeitsgemeinschaft". Zeitschrift der Krüppel Österreichs von Geburt, durch Krankheit und Unfall ohne Rente zur Wahrung der geistigen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen. 3(1929), H. 5/6, 218-221
  • Otto Perl: Lebenslauf. Zschorna b. Wurzen, 19.08.1946. 2 Seiten. ADW CA 504d


Quellen (ohne Kennzeichnung)

  • H.-Günter Heiden, Dr. rer. pol. Gerhard Simon und Prof. Dr. Udo Wilken schreiben in ihrem Buch "Otto Perl und die Entwicklung von Selbstbestimmung und Selbstkontrolle in der Körperbehinderten-Selbsthilfe-Bewegung", Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V. - BSK, 1993
  • Petra Fuchs (1999), Otto Perl (1882-1951), "Das Recht auf Selbstbestimmung für "den geistig normalen Krüppel"
  • Petra Fuchs: "Körperbehinderte" zwischen Selbstaufgabe und Emanzipation. Selbsthilfe - Integration - Aussonderung. Luchterhand, Neuwied und Berlin 2001
  • "Leben und Weg" - Magazin körperbehinderter Menschen für selbstbestimmtes Leben; Heft 5 vom Oktober 1993, S. 20 von H.-Günter Heiden
  • Herta Müller (August 1982), "Rundbrief für Behinderte und Freunde"
  • Pfarrer i.R. Helmut Bartsch
  • Liesbeth Schün

 

Fotos:

  • Helmut Bartsch
  • Liesbeth Schün
  • Robert Schübel

 

Dr. phil. Paul Schreckenbach - Philosoph, Volksschriftsteller und Landpfarrer

Paul SchreckenbachPaul Friedrich Emanuel Schreckenbach wurde 1866 in Neumark bei Weimar als Sohn eines evangelischen Pfarrers geboren und verstarb 1923 in Klitzschen. Hier war der Theologe und promovierter  Historiker von 1896 bis zu seinem frühen Tod im Juni 1923 evangelischer Landpfarrer für die Dörfer Klitzschen, Melpitz und Gräfendorf. Im Klitzschener Pfarrhaus lebte er im Schoße seiner Familie sein kirchliches Amt, schrieb 13 Romane, verschiedene Erzählungen, darunter den „Windmüller von Melpitz“, einige populärwissenschaftliche historische Abhandlungen und eine Vielzahl von Beiträgen für Zeitschriften. Zeitzeugen und Rezensenten der deutschen Zeitungen charakterisierten Schreckenbach als einen bescheidenen gottgrechten Landpfarrer, einen hochgelehrten Doktor der Philosophie und einen wahren Volksschriftsteller.

Man beschreibt ihn als offenen, geraden, wohlwollenden, lebensfrohen, schlagfertigen Gesprächspartner sowie stets hilfsbereit gegenüber seinen Mitmenschen, egal ob Regierungsrat oder zur Bauersfrau von nebenan. Ständige Konfrontation mit den einfachen Lebensverhältnissen seiner Kirchengemeinde vertieften seine große Menschenkenntnis, die ihm die Fähigkeit verlieh, verständlich und volkstümlich zu schreiben, so dass seine Bücher vom Arbeiter, vom Bauern, vom Beamten, selbst vom deutschen Kaiser gelesen wurden. Die Grabkreuze des Ehepaares Paul und Katharina Schreckenbach befinden sich auf dem evangelischen Friedhof in Torgau, wo er unter großer öffentlicher Teilnahme beigesetzt wurde.

Sein Wirken und Werk wird vom Förderverein der Evangelischen Dorfkirche Klitzschen e.V.gepflegt und gehegt. Im Pfarrhaus, seiner ehemaligen Wohn- und Wirkungsstätte, wurde das Schreckenbach-Archiv eingerichtet. Alle seine literarischen Werke und  Veröffentlichungen von ihm und über ihn sind hier zusammengetragen und stehen zur Einsichtnahme wie auch  zur Ausleihe bereit.

 

Interessenten, ob einzeln oder in Gruppen, sind im Schreckenbach Archiv und zur Besichtigung der einzigartigen Dorfkirche herzlich willkommen.

 

Anmeldungen und Anfragen per Mail: oder telefonisch 0174 6064042 (Eckhard Baumbach)

Der Windmüller von Melpitz